Das riesige Gelände rings um das Gebäude herum macht inzwischen einen sehr verwahrlosten Eindruck. Doch das war nicht immer so. In einer Festschrift aus dem Jahr 1949, zum 50. Jubiläum der Humboldtschule aufgelegt, wird sehr lebhaft ein Alltag im Landheim Ovelgönne geschildert:
Wir stehen vor einem über 2 1/4 Morgen großen, eingezäunten Grundstück und schauen in einen gepflegten Park mit Rasenflächen, Bäumen und allerhand Ziersträuchern. Dem einstöckigen, langgestreckten Gebäude mit Vorbau, den Eßsaal, die Küche und Wohnung des Hausverwalters enthaltend, merkte man es von außen nicht an, daß es ein Sandsteinbau ist. Mit dem leuchtenden Grün der Holzverschalung, die Leisten weiß abgesetzt, den weiß gestrichenen Fenstern, den grünen Hecken davor, und den weißen Bänken bietet sich uns ein Anblick, der das Herz erfreut.
Nach den weithin schallenden Glockentönen wird es im Heim lebendig. Aus allen Zimmern eilen fröhliche Jungen, nur mit einer Badehose bekleidet, den seitlichen Ausgängen zu und treten draußen unter Führung eines Lehrers zum Waldlauf mit anschließenden Entspannungsübungen auf dem Sportplatz neben dem Heim an. Wir treten inzwischen in eines der Schülerzimmer, die zwar einfach, aber wohnlich eingerichtet sind und meist drei oder vier Betten haben. [...]
Wir wollen nun erst einmal sehen, wie es hinter dem Heim aussieht. Auf der einen Seite, nach dem Sportplatz zu, befindet sich ein Rasen- und Trockenplatz mit einem kleinen Gebäude, das die Waschküche und Stallungen für Kleinvieh enthält. Durch eine breite Pforte gelangen wir auf den Sportplatz mit anschließender Heidefläche...
In der äußersten Ecke des Gartens treffen wir in einer verschwiegenen Grotte mit Tisch und Bänken unsere Primaner.
(Auszug aus dem Buch "Besondere Vorkommnisse nicht bekannt" von Annette Wienecke)
Diese Idylle beschreibt die Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Was jedoch nur wenige Jahre zuvor an diesem Ort geschah, bleibt in dieser Chronik im Dunkeln.
Bernd Richter, bis 1960 Schüler der Humboldtschule, berichtete mir, dass diese "dunkle" Vergangenheit zunächst selbst den eigenen Schülern verschwiegen wurde. Weder die Tatsache, dass auf dem Gelände des Landheims während des Zweiten Weltkriegs ein Lager für Zwangs- und Fremdarbeiter bestand, noch die Existenz des KZ Bergen-Belsen wurden thematisiert.
Doch beginnen wir mit der Entstehung des Landheimes in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wollte die Reformbewegung in Deutschland Stadtkindern Sport und Naturerlebnisse, sowie praxisnahen Unterricht in Naturwissenschaften, Kunst und Sport ermöglichen. Damals entstanden viele Landheime, so auch im Jahre 1926 das Landheim der Humboldtschule in Ovelgönne.
Als die Kaliwerke in Ovelgönne geschlossen wurden, ging das erst 1922 erbaute und als Ledigenheim genutzte Gebäude am 3. Juni 1926 für 20.000 Reichsmark in den Besitz des "Verein Landheim der Humboldtschule e.V." über. Die schwierige Finanzierung geschah auf Initiative dieses Vereins und erfolgte größtenteils durch Mittel aus der Elternschaft. Am 5. September 1926 schließlich fand die prunkvolle Einweihungsfeier statt, zu der die Delegation aus Hannover mit einem eigens eingerichteten Sonderzug nach Oldau kam.
Bis 1928 wurde das Gebäude nun grundlegend renoviert und dann seiner Bestimmung übergeben. Zwei Jahre darauf wurden zu dem 14 Morgen großen Grundstück noch weitere Parzellen Kieferwald dazugekauft. In den folgenden Jahren lief der Heimbetrieb sehr gut, besonders beliebt war der große heimeigene Sportplatz und natürlich der nahe gelegene Badeteich mit Sanddüne.
Fortsetzung folgt...
Postkarte mit einer Ansicht des Landheimes |
Quellen (Auszüge): Literatur von Rainer Fabisch "Entstehung von Ovelgönne"; Cellesche Zeitung (wie angegeben); Fotos: alte Ansichtskarten, eigene und wie angegeben; herzlichen Dank auch an Bernd Richter für die zur Verfügung gestellten Fotos und Texte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen