Mittwoch, 22. Dezember 2010

Lufthauptmunitionsanstalt 1/XI Hambühren


Geschichte der Lufthauptmunitionsanstalt 1/XI (Ha)

Im Jahre 1938 wurden für die geplante Lufthauptmunitionsanstalt 1/XI (Ha) Hambühren zwischen Ovelgönne und Hambühren erste Vermessungsarbeiten durchgeführt. Obwohl bis dahin noch gar nicht alle der für den Bau vorgesehenen Grundstücke in Reichsbesitz waren, wurde bereits 1939 mit den umfangreichen Bauaktivitäten begonnen.
Die Bauleitung bezog mit rund 40 Angestellten die Verwaltungsgebäude vom ehemaligen Kalischacht 2 (Einigkeit III) an der Reichsstraße 214.

Anfangs arbeiteten Bausoldaten und dienstverpflichtete Männer und Frauen auf dem Gelände, später wurden auch zunehmend Kriegsgefangene und Zivilisten zur Arbeit in der Muna gezwungen. Für deren Unterbringung entstanden um das Munagelände herum diverse Lager. Letztlich waren über 1.000 dienstverpflichtete deutsche Frauen und Männer, sowie mehr als 1.200 ausländische Zwangsarbeiter und eine unbekannte Zahl von Kriegsgefangenen in der Muna Hambühren beschäftigt.

Begonnen wurde zunächst mit der Anlage des Straßennetzes für die künftige Munitionsanstalt, das schließlich rund 28 km lang war. Hierzu wurden die schon vorhandenen größeren Waldwege genutzt und (größtenteils) mit Basalt-Kleinpflaster befestigt. Die Anlieferung des Baumaterials erfolgte per Eisenbahn über den Hambührener Bahnhof, an dem täglich zwischen 30 und 40 Waggons entladen werden mussten.
Innerhalb der Muna wurde eine rund 15 km lange Gleisanlage als Rundstrecke angelegt, die alle wichtigen Verwaltungs-, Fertigungs- und Betriebsgebäude sowie einige der Lagerhäuser miteinander verband.
Das Wachgebäude an der Reichsstraße 214 (Gebäude 211) war das erste fertig gestellte Gebäude der Muna. Die Wachmannschaft vom „Wachdienst Niedersachsen“ bewachte das 443 ha große Gelände entlang des zwei Meter hohen und rund 8,5 km langen Munazauns.


Von den begonnenen rund 100 Munitionshäusern wurden bis Kriegsende 94 fertig gestellt. Außerdem entstanden 12 Zünderhäuser (10 t-Munitionshäuser der Luftwaffe) und 34 Lagerhäuser für Packgefäße (LHP).
Der Fertigungsbereich umfasste zwei Geschoss-Füllanlagen, zwei Arbeitshausgruppen für Patronierung und Bezünderung von mit Sprengstoff befüllten Geschossen, eine Hülsenreinigungsanlage und ein Delaborierungsgebäude. Die Fertigung in der Füllanlage 1 lief im Frühjahr 1942 für die dringend benötigten 8,8 cm Flak-Granaten an. Die Füllanlage 2 war bis Kriegsende zwar komplett ausgerüstet, wurde aber nie in Betrieb genommen.

Bis April 1945 praktisch fertig gestellt war der gesamte Verwaltungsbereich, lediglich zwei der drei vorgesehenen Kameradschaftsgebäude wurden nicht mehr fertig.

Insgesamt beliefen sich die Baukosten für die Muna bei Kriegsende auf rund 20 Millionen Reichsmark, und ein weiterer Ausbau war geplant. So waren bereits weitere Munitions-, Lager- und Zünderhäuser für einen zweiten Arbeitsbereich in der Bauplanung, doch wurden die Bauarbeiten hierfür nicht mehr begonnen.

Die Fertigung von Flugabwehrmunition, vor allem 8,8 cm Granaten, begann im Frühjahr 1942 mit einer maximalen Leistung von 920 Tonnen pro Monat. Vom Kaliber 8,8 cm sollen bis Kriegsende in Hambühren 10 Millionen Granaten produziert worden sein.

Geplant war von Beginn an auch eine unterirdische Lagerung von Munition. Das Reich erhielt für diese Belange die beiden 1926 stillgelegten Kalischächte „Prinz Adalbert“ und „Hambühren“ von der Bergwerksgesellschaft Einigkeit. In den Hallen des Salzbergwerks sollte Munition bombensicher eingelagert werden.
Nach zeitraubenden uns sehr aufwändigen Sanierungsarbeiten war der Schacht erst 1944 für die beabsichtigte Nutzung hergerichtet. Dann jedoch erfolgte auf Befehl des Rüstungsministers eine Sperrung des Schachts für die Luftwaffen-Fertigung der Firma Focke-Wulf. Unter dem Tarnnamen „Hirsch“ wurde nun mit großem Aufwand daran gearbeitet, den Schacht für die Flugzeugproduktion einzurichten. Neben deutschem Personal, das für Schachtsicherungsarbeiten zuständig war, arbeiteten auch hier Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Zuchthäusler unter widrigsten Bedingungen am Ausbau der unterirdischen Hallen. Nur drei der 50 m langen, 25 m breiten und 11 m hohen Hallen waren bis Kriegsende vollständig ausgebaut und betoniert, weswegen die Produktion nicht mehr aufgenommen werden konnte.
Eine Bestandsaufnahme des im Schacht vorhandenen Materials durch die Briten im Mai 1945 ergab nur einige Kisten mit Werkzeugen und Maschinen.

Mit dem Vorrücken der Briten kam am 8. April 1945 schließlich das „Aus“ für die Muna Hambühren. Der Muna-Kommandant Oberstleutnant Herrmann gab den Befehl zur teilweisen Sprengung der Muna, der in der Nacht vom 10. auf den 11. April 1945 auch umgesetzt wurde. Einzelne Munitionsbunker, Teile des Wasserwerks, des Arbeitsbereichs und der Füllanlagen wurden zerstört. Die Sprengungen dauerten von 22 Uhr bis 5 Uhr am nächsten Morgen an. Der Feuerschein war kilometerweit zu sehen und auch die gewaltigen Detonationen waren im gesamten Landkreis Celle zu spüren. Am 12. April 1945 erreichten dann die ersten britischen Soldaten Ovelgönne.

Bis Juli 1945 wurde das Munagelände nur unzureichend bewacht, so dass es zu Plünderungen und auch zu Todesfällen durch Explosionen kam. Im August und von Oktober 1945 bis April 1946 wurden immer wieder Gebäude vom britischen Sprengkommando mitsamt der darin befindlichen Munition zerstört. Dann ging man zunächst dazu über, das noch in der Muna befindliche Material wie z.B. Kartuschenhülsen aus Messing, Zinnkisten, Aluminiumbehälter, Bakelit-Deckel, Bleidraht, Geschosshülsen und Munitionskisten zu verwerten. Nach Abschluss der Materialverwertung erfolgten bis zum Frühjahr 1948 weitere Sprengungen. Davon zeugten noch bis 2009 mehrere große Sprengtrichter im südlichen Bereich der ehem. Ringstraße.


[Textquellen: u. a. Buch "Muna Hambühren" von Rainer Fabisch; Fotos wie angegeben]


Im Folgenden schildere ich meine eigenen Erlebnisse, vor allem mit den Hinterlassenschaften und Relikten der Muna Hambühren.

Lagerhäuser und Füllanlage I und II

Meine erste bewusste Begegnung mit der „Muna“ hatte ich vor ca. 30 Jahren, als ich als kleiner Knirps den Wald am „Grünen Eck“ mit meinem Fahrrad erkundete. Dort wo heute schicke neue Häuser an neu angelegten Straßen stehen, gabe es Anfang der 80er Jahre fast nur Wald.


Der alte Eschenweg mit seinen großen, düsteren, leerstehenden Lagerhallen und der Wald mit seinen darin versteckt liegenden Bunkerresten und den zuwuchernden Straßen übte eine große Anziehungskraft auf mich aus – und würde es wohl auch heute noch tun, wenn es ihn denn noch gäbe.




Meist begann ich meine Erkundungstouren am Grünen Eck. Dort gab es einen schmalen Weg hinein in den Wald, in etwa auf Höhe der heutigen Straße „Im Eck“. Es ging nur ein paar Meter in den Wald, da tauchten schon die ersten Kriegshinterlassenschaften auf. Direkt am Weg lagen die stark überwachsenen Reste einer Tunnelverbindung (die meiner Erinnerung nach oberirdisch verlief). Kurz darauf kreuzte man eine ehemalige Munastraße. Bog man nach rechts auf eben diese ein, so gelangte man nach wenigen Metern zu den Überresten der ehemaligen Heizzentrale (Gebäude 130). Diese war zwar gesprengt, die Kellerräume bzw. Fundamente lagen jedoch noch immer im Erdreich und waren meist mit Wasser gefüllt. Daher bezeichneten wir Kinder diesen Ort gern als „Swimmingpool“. Auf den dicken Mauerresten konnte man prima hin und herlaufen, musste jedoch aufpassen, dass man nicht doch einmal daneben trat und sich dabei nasse Füße holte.

Der Bereich der Füllanlage I und II kurz nach dem Krieg (oben) und rund 40 Jahre später (unten):


Wenn man diese erste Munastraße überquerte, ging es auf dem schmalen Waldweg weiter ins Gelände bis die zweite ehemalige Straße querte. Auch hier gab es einen „Swimmingpool“: die Kellerräume der anderen Heizzentrale (Gebäude 224) hatten ebenfalls die Sprengungen überstanden und lagen seit Jahrzehnten sich selbst überlassen im Wald. Auch diese Räume waren oft voll Wasser und boten so reichlich Gelegenheit zum Spielen.


Weiter dem schmalen Waldweg folgend erreichte man schließlich ein großes, zusammenhängendes Trümmerfeld. Hier waren noch reichlich Überreste von gesprengten Gebäuden sowie Tunnel und Schächte vorhanden. Einige dieser Tunnel waren damals noch teilweise intakt und begehbar, z.B. gab es ein recht langes Tunnelstück vom Gebäude Nr. 138 (Delaborierung) hinüber zu den Gebäuden 136 und 137 (Fertigstellung). Von diesen Gebäuden waren freilich nur noch die Trümmer vorhanden, wie auch von allen anderen Gebäuden im Bereich der ehemaligen Füllanlagen 1 und 2. Einzig das Sanitärgebäude (Gebäude 125a) hatte die Kriegs- und Nachkriegszeit überstanden. Im Jahr 2010 wurde jedoch auch dieses letzte Munagebäude im Bereich der ehem. Füllanlagen abgerissen.


Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass etwa im Bereich des Gebäudes 125 (Heizgitterhalle) an einem kleinen Erdhügel jede Menge schwarzer ungefähr 8x8 cm großer Schraubverschlüsse aus Bakelit zwischen Laub und Erde auf dem Waldboden verstreut herumlagen. Die meisten davon waren kaputt und mir ist auch nicht bekannt wozu sie einmal dienten bzw. ob sie überhaupt Hinterlassenschaften aus der Munazeit waren. Dennoch ärgere ich mich heute darüber, dass ich nicht wenigstens einen davon mit nach Hause genommen habe...!
Finden konnte man dort auch immer wieder einzelne Basaltsteine, mit denen früher fast alle Munastraßen gepflastert waren. Nach dem Krieg wurden diese Steine wieder aufgenommen, doch ein paar blieben hier und da liegen und man kann sie sogar heute noch mit ein wenig Glück im Wald finden.


Munitionshäuser in der "Grünen Ecke"

Die „Grüne Ecke“ liegt gleich neben dem Neubaugebiet „Am Grünen Eck“, das auf dem Gelände der Füllanlagen 1 und 2 entstand. Dieses Gebiet wurde in den letzten Jahrzehnten bereits mehrfach von Munition geräumt und beherbergte zu Munazeiten mehrere Munitionshäuser sowie das Delaborierungsgebäude.
Bis in die 90er Jahren hinein waren die Spuren aus dieser Zeit reichlich, die gesprengten Gebäude(reste) waren noch an ihren ursprünglichen Standorten aufzufinden.

Besonders interessant für mich waren die gesprengten Überreste der Munitionshäuser im südlichen Bereich der ehem. Ringstraße (Munitionshäuser 58 bis 62). Hier standen noch von fast allen Munitionshäusern die Betonwände und ließen somit die ursprünglichen Ausmaße der Bunker gut erahnen. Weiter südlich waren noch bis Ende 2009 die großen Sprengtrichter vorhanden, die von Munitionssprengungen aus den späten 40er und 50er Jahren stammten. Sie waren im Laufe der Jahre voll Wasser gelaufen und boten eine eigentümliche Idylle mit reichlich „Entengrütze“ und - im Frühjahr – vielen Kaulquappen. Dieser Bereich der ehem. Ringstraße hatte sich durch seine Unberührtheit und trotz der Warnschilder zu einem beliebten Wanderweg entwickelt, sicher nicht nur für meine Familie!



In den 90er Jahren fand (wieder) eine Munitionsräumung in diesem Bereich statt, in deren Zuge die Überreste dieser Munitionshäuser zunächst freigelegt, dann von Munition befreit und schließlich zusammengeschoben wurden. Die so entstandenen Trümmerhaufen sind noch heute die letzten Zeugen der Vergangenheit.

Ab Ende 2009 wurde in diesem Bereich an der ehem. Ringstraße jedoch eine letzte, sehr gründliche Munitionsräumung vorgenommen. Neben den wenigen Bunkerresten und einer großen Waldfläche sind nun auch die alten Sprengtrichter verschwunden. Wie eine große Wunde klafft hier nun mitten im Wald eine riesige Freifläche...



Aber nicht alle Munitionshäuser in diesem Bereich sind komplett verschwunden: die Bunker 76 bis 80 sind nicht ganz so „brutal“ geräumt worden und geben somit auch heute immer noch einen gewissen Eindruck dessen wieder, wie es hier jahrzehntelang ausgesehen hat. Nur hier und im ehem. Arbeitsbereich 1 finden sich bis heute Reste von (während und nach dem Krieg) gesprengten Gebäuden und Bunkern. So gut wie alle anderen Gebäude und Gebäudereste sind entweder komplett abgeräumt oder umgenutzt.


Andere Bereiche der Muna heute

An einigen Stellen in Hambühren findet man noch ganz vereinzelt Spuren und Gebäude bzw. Gebäudereste aus der Zeit der Muna.

Ein noch weitgehend intaktes Bauwerk ist der Luftschutzraum nördlich der B214. Er liegt schräg gegenüber der ehem. Bauleitung (Verwaltungsgebäude von Schacht Hambühren) im Wald. Der Luftschutzraum ist noch begehbar, allerdings ist er seit Jahren durch Schutt und Müll aller Art verdreckt.


Die einzigen Überreste des Kameradschaftsgebäudes 1 - zwei große Betonklötze - lagen bis zum Jahr 2005 direkt neben dem Bürgersteig an der Versonstraße im Wald. Im Zuge der Planierung dieses Bereichs für das Neubaugebiet Versonstraße wurden diese Relikte im Herbst 2005 entfernt. Diese Aufnahmen stammen aus dem Juli 2005:


...wird fortgesetzt!


1 Kommentar:

  1. Ich kann mich an einige der alten Munitionsgebäude noch erinnern, ebenso wie der Bunker an der B214.

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