Donnerstag, 27. März 2014

Nazi-Raubkunst in Hambührener Kalischacht


Durch einen Zufall bin ich einer sehr interessanten Geschichte auf die Spur gekommen, die bei näherer Betrachtung fast das Zeug dazu hat, der Legende um das Bernsteinzimmer neues Leben einzuhauchen. Hört sich spannend an? Ist es auch!

Erdfall bei Ovelgönne

Der Spaziergang mit unserem Hund führt mich oft an dem sogenannten „Erdfall“ mitten auf einem Feld zwischen Hambühren und Ovelgönne vorbei. Dieser Erdfall stellt sich wie eine kleine Insel mitten auf dem Feld dar, ist jedoch eine Geländevertiefung, die mit Bäumen und Gestrüpp bestanden ist. Erdfälle gibt es einige in Hambühren und Ovelgönne; sie stehen in Zusammenhang mit dem Salzstock im Untergrund und bilden sich, vereinfacht gesagt, wenn in der Tiefe Hohlräume zusammenbrechen und daraufhin Erde von oben nachrutscht.

Auf dem frisch gepflügten Feld das den Erdfall umgibt, habe ich im vergangenen Jahr einen Gegenstand entdeckt (der sich später, nach der Analyse durch die Denkmalbehörden und Archäologen, als ein Fragment einer alten Reiterstatue aus Bronze herausgestellt hat).

Dieses Fragment sieht unscheinbar aus, ist aber von großem archäologischen Wert

Wenig später machte ich noch weitere Entdeckungen ganz in der Nähe, so fand ich einige kunstvoll gestaltete und reich verzierte Porzellanbruchstücke und weitere Fragmente aus Metall in unterschiedlichen Größen, sowie weitere Gegenstände die ich hier nicht näher beschreiben möchte. Diese Häufung von so aussergewöhnlichen Fundstücken auf engstem Raum ist sehr ungewöhnlich – zumal für unsere Gegend. Um an dieser Stelle wilden Protesten vorzubeugen: sämtliche Fundstücke wurden von mir selbstverständlich den Behörden zur Auswertung übergeben!

Ob dieser Fundstücke neugierig geworden, richtete ich mein Hauptaugenmerk dann auf diesen sogenannten Erdfall. Bei näherer Betrachtung  machten mich die dort herumliegenden großen Betonbrocken stutzig. Als Hambührener kennt man die Reste der gesprengten Muna-Bunker in den umliegenden Wäldern. Doch was machen diese großen Brocken ausgerechnet hier bei diesem Erdfall? Auf Karten über die Muna ist an dieser Stelle und auch in der näheren Umgebung kein Bauwerk verzeichnet. Und nach wilder Müllentsorgung sehen diese Betonbrocken nun auch nicht gerade aus. Woher also könnten sie stammen?

Große Betonbrocken beim Erdfall




Ein altes Metallfaß - auch ein Relikt von damals?

Nach mühsamer Recherche entdeckte ich schließlich eine alte Karte, auf der an genau dieser Stelle auf dem besagten Feld ein Eintrag vorhanden ist (siehe Bild): hier ist tatsächlich ein Gebäude verzeichnet und mit „Sch“ betitelt. Mit der Bezeichnung konnte ich zunächst nichts anfangen, also wurden weitere Karten und Dokumente herangezogen. Schließlich kristallisierte sich heraus, dass genau an dieser Stelle tief im Untergrund ein Stollen des alten Kalischachts verlaufen müsste. Sollte das Gebäude vielleicht mit dem Stollen in Zusammenhang stehen? Jetzt hatte sich also eine erste heiße Spur ergeben und darauf aufbauend konnten weitere Nachforschungen angestellt werden. Viele Buchseiten und einige interessante Gespräche später war relativ klar: die Stelle, an der laut aktueller Karten ein Erdfall verzeichnet ist, ist in Wirklichkeit der Standort eines alten Kontrollschachts, der zum Stollen in ca. 700m Tiefe führte.

Karte (Ausschnitt) mit eingetragenem Schacht(gebäude)


Wann genau dieser Kontrollschacht entstanden ist konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, es wird aber wohl um 1915 gewesen sein. Dieser Schacht erhielt dann auch ein kleines Schachtgebäude übertage, wovon jedoch leider weder Abbildungen noch Fotografien existieren. Der Kontrollschacht wurde allerdings recht bald schon wieder verschlossen, zunächst aber nur provisorisch. Auch das Gebäude selbst wurde abgerissen und lange Jahre nahm niemand mehr Notiz davon – bis der Kalischacht im Zuge der Kriegsvorbereitungen Ende der 1930er Jahre plötzlich wieder Bedeutung erlangte. Die Wehrmacht suchte sichere unterirdische Munitionslager und „reaktivierte“ dazu bereits stillgelegte Schachtanlagen - so auch die Kalischächte in Hambühren und Ovelgönne (zu diesem Teil der Geschichte verweise ich auf den entsprechenden ausführlichen Beitrag dazu hier auf meinem Blog).

Unter Zuhilfenahme von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen wurden die unterirdischen Stollen 1944 schließlich für die Munitionseinlagerung fertiggestellt, doch inzwischen gab es schon wieder einen neuen Verwendungsauftrag: Unter dem Tarnnamen „Hirsch“ sollte der Schacht nun nicht mehr für die Einlagerung von Munition sondern für die Produktion von Flugzeugteilen vorbereitet werden. Zuständig für diese (Um-)Baumaßnahmen in Hambühren war ein gewisser Major Carl-Georg Hendrich. Laut Aussagen von Zeitzeugen ist bekannt, dass er einige Male höchstpersönlich vor Ort war und das Voranschreiten des Projekts sehr genau kontrollierte. Wie sich aufgrund meiner Recherchen nun weiter herausgestellte, hatte dieser Major auch höchst eigenes Interesse daran, dass der Schachtausbau schnell voranging...

Hendrich war sehr gut befreundet mit Hermann Göring und teilte mit diesem die Leidenschaft für die Kunst. Die Nazis schafften während des Krieges neben allerlei Raub- bzw. Beutekunst auch „legal“ erworbene Kunstgegenstände ins Reich - Hermann Göring z. B. staffierte mit dieser Raubkunst seinen pompösen Landsitz „Carinhall“ in der Schorfheide aus. Hendrich jedenfalls spielte bei der Beschaffung und Verteilung dieser Raubkunst eine gewichtige Rolle und organisierte offenbar nebenbei seine eigene kleine Kunstsammlung, die er zunächst in einem Depot bei Hannover versteckte. Durch die ständig zunehmenden Bombenangriffe waren die Kunstgegenstände dort allerdings nicht besonders sicher. Hendrich in seiner Funktion als Leiter der Operation „Hirsch“ ist dann offensichtlich recht schnell auf die Idee gekommen, „seine“ Kunstschätze tief unter der Erde im Hambührener Schacht sicher einlagern zu lassen. Offiziell war das natürlich nicht zu bewerkstelligen, deshalb suchte Hendrich nach einer anderen Lösung.

Bei Befragungen ehemaliger Angestellter des Kaliwerks kam man recht schnell auf den lange vergessenen und nur provisorisch verschlossenen Kontrollschacht auf dem Feld nahe Ovelgönne zu sprechen. Dort, außerhalb des Muna-Geländes, ließ Hendrich nun einen kleinen Bautrupp antreten, um den Kontrollschacht wieder zu öffnen. Es war dann wohl relativ unproblematisch diesen Schacht bis zum Stollen hinunter abzusichern und auszubauen. Im Stollen selbst soll eine Kammer so ausgebaut worden sein, dass sie für die Einlagerung der Kunstschätze genutzt werden konnte. Übertage wurde der Schachteingang mit einem kleineren Bunker überbaut. Möglicherweise ist das folgende Foto während der Bauphase dieses Bunkers aufgenommen worden (genaue Angaben dazu fehlen leider):

Soldaten beim Bunkerbau?
(Foto aus Privatbesitz)

Gegen Kriegsende, als die Stollen schließlich für die Rüstungsproduktion hergerichtet waren, ließ Hendrich dort nach und nach seine Kunstschätze einlagern. In mehreren nächtlichen Transporten sollen die Kunstgegenstände angeliefert und dann durch den Kontrollschacht in die Tiefe befördert worden sein. Diese Transporte müssen bis in den April 1945 hinein stattgefunden haben, und – dies erfuhr ich aus Gesprächen mit Angehörigen damaliger Beteiligter – die letzten Kisten wurden nicht mehr in den Stollen hinuntergebracht. Sie verblieben im Bunker über dem Schachteingang. Auf Befehl Hendrichs sprengte man in der Nacht vom 10. auf den 11. April den Kontrollschacht, um den Zugang zum Stollen und zu den Kunstschätzen zu blockieren. In dieser Nacht fanden auch erste Sprengungen von Muna-Gebäuden statt, daher erregte diese einzelne Sprengung keinerlei Aufsehen. Die Sprengung des Schachts fiel allerdings so heftig aus, dass auch der Bunker über dem Schachteingang in Mitleidenschaft gezogen wurde - ob bewusst oder unbewusst lässt sich heute nicht mehr feststellen. Das ganze Gelände um den Schachteingang jedenfalls sackte außerdem kreisförmig um rund einen Meter ab (...ähnlich wie bei einem Erdfall!).

Vermutlich war der Bunker daraufhin nicht mehr begehbar. Die Engländer veranlassten kurz nach der Übernahme der Muna noch in den letzten Apriltagen die Sprengung dieses Bunkers bzw. dessen, was noch davon übrig war. Somit erklärt sich auch die Herkunft der noch heute dort befindlichen Betonbrocken! Es ist anzunehmen, dass bei dieser Sprengung die nicht mehr rechtzeitig in den Stollen verbrachten Kisten mit Kunstgegenständen ebenfalls – und damit natürlich irrtümlich – in die Luft gesprengt wurden. Für diese Annahme spricht die Tatsache, dass man heute noch immer auf den Feldern und im angrenzenden Wald in der Umgebung des ehemaligen Schachteingangs Gegenstände finden kann, die man dort sonst nicht vermuten würde – so wie es mir im vergangenen Jahr erging [Anmerkung: Inzwischen hat eine professionelle Sondierung des Geländes stattgefunden, bei der noch weitere interessante Funde erzielt werden konnten. Die Auswertung der Fundstücke dauert noch an].

Leider gibt es bis heute keinerlei Anhaltspunkte darüber, wie viele und vor allem welche Kunstgegenstände Hendrich in den Stollen hat einlagern lassen. Verzeichnisse oder Listen dazu sind nie aufgetaucht. Es ist auch nicht bekannt, dass die Briten bei der Begehung des für die Rüstungsproduktion ausgebauten Teils des Stollens irgendwelche Kunstschätze gefunden hätten. Somit ist anzunehmen, dass die von Hendrich eingelagerten Kunstgegenstände noch heute in rund 700 Metern Tiefe lagern, ohne dass man je eine Chance hätte diese zu bergen.

An dieser Stelle kommt nun die Geschichte um das berühmte Bernsteinzimmer ins Spiel. Hendrich selbst war natürlich ein viel zu kleines Licht, als dass er je in den Besitz dieses Kunstwerks gekommen wäre. Doch seine Freundschaft zu Hermann Göring und die Tatsache, dass man das Bernsteinzimmer bis heute nicht gefunden hat, lässt den Gedanken auch nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen, dass zumindest die theoretische Möglichkeit bestünde, es könnte sich im Hambührener Untergrund befinden...


Fotos: eigene (März 2013), bzw. Fotomontagen; auch der Ausschnitt der abgebildeten Karte ist eine Montage. Sonstige Quellen: keine. Die gesamte Geschichte ist frei erfunden und entbehrt jeder Grundlage - es handelt sich hierbei um einen Aprilscherz!

3 Kommentare:

  1. Guten Tag, sehr geehrter Verfasser,

    ich hoffe Sie schreiben diesen Blog weiter mit den Auswertungen etc.

    Wieso kann der Schacht nicht mehr freigelegt werden? Wir fliegen schließlich auch schon zum Mars :-)!

    Liebe Grüße aus Burgwedel

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  2. Mein Gott Christian, ich lese extrem ungern, da ich bereits bei kürzeren Texten sehr schnell schläfrig werde....
    Soeben habe ich Deine Raubkunst-Fake-Story gerade zu verschlungen und hab jedes Wort geglaubt...
    Gratulation, echt super wie Du schreibst.
    MfG. Martin Florian

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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